01 Nov Sich selbst im freundlichen Spiegel sehen
Becky* kam neulich vorbei und sah großartig aus, als sie durch die Tür trat.
„Wow, du siehst toll aus!“, sagte ich. „So anmutig.“
Sie verzog ihr Gesicht als sie erwiderte, „Wirklich?“
Shya kam aus der Küche und warf ihr einen Blick zu.
„Wirklich,“ sagte er.
„Aber ich hab 20 Pfund zugelegt.“
„Na und. Du siehst immer noch großartig aus,“ sagte ich.
Becky hatte vergessen, in einen freundlichen (und exakten) Spiegel zu schauen – sich selbst durch unsere Augen zu sehen. Sie betrachtete die Reflektion ihres werturteilbehafteten Denkens.
Ich habe zuhause etliche freundliche Spiegel. Zuallererst habe ich Shya. Er sagt mir jeden Tag, dass ich wunderschön bin (sexy, liebenswürdig, großartig). Es ist wichtig, dass ich zuhöre. Denn wenn ich das nicht tue, missachte ich seine Realität, wische sie weg zu Gunsten einer unfreundlichen Meinung.
Als ich das gerade geschrieben habe, kam Shya zu mir, küsste mich auf den Kopf und zerzauste sanft mein Haar. Ich konnte entweder diese spontane Hingabe missachten, um mich weiter auf meine Aufgabe zu konzentrieren oder einen Moment innehalten und seine Liebe wahrnehmen.
Ich habe auch einen Spiegel, vor dem ich mich schminke. Er ist freundlich zu mir, auch wenn ich müde aussehe. Ich habe einen anderen in meinem Kleiderschrank. Wenn ich vor ihm stehe, fühle ich mich normalerweise verdammt gut. Dies kommt von all den Jahren, in denen ich dieses Glas mit meiner Realität infiltriert habe, die meist verdammt freundlich ist. Wir leben seit 1995 in unserem Haus, und in dieser Zeit bin ich gealtert und mein Gewicht schwankte mal nach oben und mal nach unten. Trotzdem, irgendwie, während ich in diesen Spiegel schaue, bewahre ich meine Schönheit.
Vor vielen Jahren, als wir Kurse auf Hawaii gaben, hatten wir einen großen verspiegelten Kursraum auf einem abgelegenen Anwesen auf Maui. Obwohl wir spärlich bekleidet waren, begannen wir uns alle als schön zu betrachten. Große Körper, kleine Körper, junge Menschen, ältere Menschen, wir waren alle großartig. Die Leute vergaßen verlegen und selbstkritisch zu sein, selbst am Strand.
Nachdem das Seminar vorüber war, entschieden Shya und ich, uns ein Ferienwochenende auf der anderen Seite der Insel in einem Luxushotel zu gönnen. Zu meiner Überraschung veränderte sich die Wahrnehmung meines Körpers in dem Augenblick, in dem ich in unserem Hotelzimmer in den Spiegel schaute. Ich entdeckte jede Menge Dinge an mir, an denen ich herummäkeln konnte, eins nach dem andern. Es war, als ob sich geisterhafte Bilder auf dem Glas einprägten, bis es schwer wurde, mich selbst wahrzunehmen, ohne mich zu verurteilen. Es ist, als ob man einen Raum betritt, in dem die Gäste jahrelang geraucht haben, bis der verräterische Geruch alles für immer durchdringt. Ich bin mir dieses Phänomens auch heute noch stets bewusst. Immer wenn ich losgehe, um etwas zum Anziehen zu kaufen, trage ich etwas, in dem ich mich wohl fühle. Damit ich, wenn ich in einen Spiegel schaue, in dem Tausende ihre Reflektion durch ihre kritischen Augen betrachtet haben, mich immer noch in einem freundlichen Licht sehen kann, ganz egal ob das Kleidungsstück, das ich gerade anprobiere, passt.
Es ist okay, wenn dein aktueller Spiegel bei dir zuhause noch nicht freundlich ist. Hol einfach deinen virtuellen Glasreiniger heraus und fang neu an. Und wenn du willst, kannst du zahlreiche Spiegel bei jedem „Leben leicht gemacht-Seminar“ haben. Wenn du denen zuhörst, die dich anschauen, wirst du wahrscheinlich sehen, wie wunderschön du wirklich bist – von innen und von außen.
*Der Name wurde geändert, um Anonymität zu gewähren.