01 Mar Ein überraschend süßer Morgen
Ausgelöst wurde unser überraschend süßer Morgen durch etwas, das am Tag davor geschah. Es war Mitte August, und Shya und ich waren auf dem Weg zu einem Ausflug nach Oregon, um meine Eltern zu besuchen und um zwei Tage mit Fliegenfischen am Deschutes Fluss zu verbringen.
Meine Eltern leben im Zuhause meiner Kindheit, in Gresham, einer Vorstadt von Portland. Ihr Heim grenzt an ein bewaldetes Gebiet und die Douglastannen überragen alles – herrschaftliche Wächter, alt und mit Moos beladen. Ich mag es, am Fuße dieser Bäume zu stehen und das Sonnenlicht zu bewundern, das durch die Äste fällt, die in ordentlichen Reihen den Stamm hochwachsen.
Mit 86 und 85 Jahren, ihrem Alter entsprechend, genießen Mama und Papa unsere Gesellschaft, so wie wir die ihre, und unsere Besuche sind sehr entspannte Angelegenheiten. Am Abend vor unserem Angelabenteuer in Ost Oregon, bereiteten wir den Kaffee vor und packten Mittagessen ein. Wir wachten früh auf durch den Duft von Kaffee, Toast und Schinken, da meine Mutter schon lange vor Sonnenaufgang aufgestanden war um uns zu verabschieden.
Zwei Stunden später war es immer noch dunkel, als wir uns mit unserem Führer Brian am Imperial River Inn in Maupin trafen. Aufgeregt einen Tag auf dem Wasser zu verbringen, verstauten wir unsere Ausrüstung in seinem Pickup. Mit dem Boot im Schlepptau, fuhren wir in die Gegend, von wo aus wir starten wollten. Als der Himmel gerade anfing einen Hauch von Licht zu zeigen, stiegen wir alle in das Ruderboot und Brian begann flussabwärts zu unserem ersten Ziel zu rudern, voller Vorfreude auf den bevorstehenden Tag.
Auch wenn es schwer zu glauben war, wir waren nicht die Ersten auf dem Wasser. Eine Reihe von Ruderbooten hatte es geschafft vor uns auf dem Wasser zu sein. Einen Fluch unterdrückend fuhr Brian weiter flussabwärts, da die anderen Angler sich schon an seinen Lieblingsplätzen eingerichtet hatten.
Wir lieben Angeln und ganz besonders lieben wir es unsere Spey Angeln – lange, zweihändige Fliegenangeln, zu benutzen, die die Kunst des Angelns in einen anmutigen Tanz verwandeln. Der Rest des Tages war ein Ballet aus Würfen und Loopings über dem Rauschen des Flusses; wir beobachteten wie die Leine flussabwärts schwang in der Hoffnung, dass eine Regenbogenforelle (eine im Meer lebende Forelle, die zum Laichen in den Fluss zurückkehrt) genügend beeindruckt von der an ihrer Nase vorbei treibenden künstlichen Fliege sein würde, um anzubeißen. Ausholen, Werfen, zwei Schritte runter, ist der Rhythmus dieses Tanzes, und es ist eine ruhige, widerspenstige Meditation in der jeder Wurf in sich seine eigene Belohnung ist, und das Anbeißen eines Fisches am Ende der Leine ist ein gelegentlicher Bonus.
Es stellte sich heraus, dass der Tag herrlich war, heiß und trocken. Wir trieben an großartigen Abschnitten von Säulenbasalt–Klippen vorbei und hoch oben sahen wir ein Paar von Dickhornschafen, deren kräftige Körper ihre massiven, fülligen Hornlocken unterstützen.
„Macht es euch etwas aus” fragte Brian zum Schluss „wenn wir morgen früh etwas eher starten? Es wäre schön, wenn wir mit einem Vorsprung starten könnten, so dass wir vor Tagesanbruch auf dem Fluss sein können und niemandem folgen müssen.”
Unsere Antwort war ein enthusiastisches „Ja!”
Der Tag endete damit, dass jeder von uns einen Fisch gefangen und wieder freigelassen hatte. An diesem Abend gingen wir glücklich erschöpft von unserem Tag auf dem Wasser, zum Abendessen in ein kleines Restaurant das zum Hotel gehörte. Nach dem Essen duschten wir, stellten unseren Wecker auf 4.00 Uhr morgens, legten uns ins Bett und genossen eine Nacht tiefen, tiefen Schlafs.
Unser iPhone–Alarm weckte uns um 4.00 Uhr und wir waren erstaunlich munter, wenn man bedenkt wie früh es war. Natürlich ist das an den Angelmorgen häufig der Fall. Sie wecken in uns die kindliche Erwartung von riesigen, schwimmenden Kreaturen, die in der Tiefe lauern, wartend auf ein Zusammentreffen mit unserer Angel.
Unser Gepäck war fast gepackt, also war es einfach die übrigen Toilettenartikel in unsere Taschen zu packen. Wir hatten unsere Watstiefel aufgehängt und so war es eine einfache Angelegenheit in unsere warmen Socken, langen Unterhosen, Fleecehosen und Anglershirts zu schlüpfen, bevor wir die Stiefel anzogen. Wie es unsere Gewohnheit ist, machten wir einen letzten Check unseres Zimmers um sicher zu stellen, dass wir nichts von unseren Sachen zurückließen, und unsere Taschen hinter uns herziehend verließen wir das Zimmer.
Das Zimmer führte direkt nach draußen, und wir brachten unser Gepäck zu unserem Leihwagen, um es im Kofferraum zu verstauen, bis wir am späten Nachmittag zurückkommen würden. Wir hatten einen automatischen Checkout arrangiert und planten, dass wir nach unserem Angeltag einen Happen essen und dann zurückfahren würden zum Haus meiner Eltern, um dort die Nacht zu verbringen.
Es war nun 4.15 Uhr, und startklar für den Tag nutzten wir unsere Schlüsselkarte, um uns in den Frühstücksraum einzulassen, der für die Angler und frühe Reisende vorbereitet war, so dass die Angestellten nicht zu so früher Stunde bereit stehen mussten.
Da wir die ersten Gäste an diesem Morgen waren, knipsten wir den Schalter an der Kaffeemaschine an, und bald füllte der scharfe Geruch von frischem Javakaffee die Luft. Es gab Frühstück–Sandwiches, kaltes und Fertigmüsli, aber wir beide wählten jeweils als Snack ein paar kalte Eier und einen Apfel.
Das Essen und eine Tasse Kaffee in der Hand gingen wir raus um auf die Ankunft unseres Reiseführers Brian zu warten, mit seinem vergrößerten Kabinenpickup, sein Ruderboot hinter sich herziehend. Glücklich machten wir uns daran unser Essen zu konsumieren und an unserem heißen, schwarzen Kaffee zu nippen. Wir waren froh, dass wir fertig waren bevor er ankam und begierig auf dem Fluss zu sein, bevor es hell wurde. Es war noch immer tiefschwarz draußen und in der hohen Wüstenluft flitzten Sterne umher wie Hände voller Diamanten. 20 Minuten später war Brian noch nicht angekommen, also saßen wir am Ende des Gehwegs, unsere Beine ausgestreckt, die Stiefel wartend auf dem Parkplatz. 40 Minuten später, immer noch kein Brian. Mittlerweile wussten wir, etwas stimmte nicht. Aber unter den gegebenen Umständen hatten wir sehr wenig, auf das wir zurückgreifen konnten, um die Situation zu verbessern. Im Inn gab es keine Telefone in den Zimmern, und unsere Handys hatten in dieser Gegend keinen Empfang, und selbst wenn wir Funk gehabt hätten, hätte es niemanden gegeben den wir anrufen konnten, da wir Brians Nummer nicht hatten, und die Angelfirma mit der wir unseren Ausflug gebucht hatten, war noch nicht geöffnet. Wir überlegten kurz, zu unserem Zimmer zurück zu gehen, dachten dann aber, dass sollte Brian auftauchen, er uns nicht finden würde, da der Empfang noch nicht geöffnet war, und er konnte unsere Zimmernummer nicht wissen. Es blieben zwei Möglichkeiten – uns zu ärgern und uns zu beschweren oder den Morgen zu genießen. Uns zu ärgern war genaugenommen keine Option. Was würde es bringen, außer uns die Stimmung und den Tag zu verderben? Also lehnten wir uns aneinander und genossen die Stille.
Als der Himmel anfing heller zu werden, begannen die Vögel zu rascheln. Der Geruch von Salbei schwebte auf einer leichten Brise herüber, Insekten summten. Wir genossen die Wärme des jeweils anderen, während wir Schulter an Schulter saßen, und uns leise über belanglose Dinge unterhielten. Unser Morgen entfaltete sich in unvorhergesehener Weise, und wir fanden die Erfahrung überraschend süß und intim. Jeder Vorwärtsimpuls in unserem Leben war zum Erliegen gekommen, und was blieb war der Moment und für ihn dazu sein.
Schließlich kam Brian mit röhrenden Motoren vorgefahren, sich entschuldigend und hoch peinlich berührt. Er hatte verschlafen. Seine Frau hatte ihn geweckt und gefragt, „Brian arbeitest du heute morgen nicht?”. Dies ungefähr zu der Zeit, zu der er uns eigentlich hätte aufsammeln sollen. Das Problem war, dass er 45 Minuten entfernt wohnte, und als er aufwachte noch den Bootstrailer ankoppeln musste und am Angelshop anhalten, um Zubehör zu besorgen, bevor er uns abholte. Und so wie wir keine Möglichkeit hatten ihn zu kontaktieren, hatte er auch keine uns zu erreichen.
Wir fühlten mit ihm. Es war bestimmt eine sehr ungemütliche Fahrt, im Wissen dass er zu spät kam. Er musste seine Entschuldigungen innerlich immer wieder durchgegangen sein, wissend dass die Tatsache, dass das noch niemals vorher passiert war (und auch sicher nie wieder geschehen würde), nichts an der Situation ändern würde. Er muss wirklich überrascht gewesen sein und auch ein bisschen skeptisch als wir sagten es sei O.K. … genaugenommen mehr als O.K. Wir fühlten uns wohl und hatten unser Beisammensein genossen und den Anbruch unseres neuen Tages.
Manchmal taucht das Leben mit unerwarteten Drehungen und Wendungen auf. Wenn du für sie da bist, kann das Ergebnis überraschend süß sein.