01 Sep Die beste Tasse Kaffee, die ich nie hatte
Es war ein stürmischer Tag im Frühling und ich hatte noch ein paar Minuten vor meinem Friseurtermin. Ich saß auf einem Hocker in einer kleinen Ecke bei Starbucks an der 57. Straße und Lexington Avenue in New York City mit einem Cappuccino und hing dem Gedanken nach, worüber ich wohl den Artikel für den nächsten Monat des Premium Excellence Clubs schreiben würde. Ich wartete auf Inspiration, aber es passierte nichts. Dann fiel mir auf, dass Nachdenken nicht der beste Weg zur Inspiration für irgendetwas ist; also schaute ich auf und befasste mich mit der Welt um mich herum.
Mir fiel die Person neben mir auf, die abwechselnd Bissen von ihrem Salat nahm und auf ihrem Handy arbeitete. Der Salat sah ziemlich lecker aus. Ich schaute auf das Straßenschild draußen vor dem Fenster und fing an, die Menschen zu beobachten, die vorbeigingen. Wenn ich die Straße entlang gehe, schaue ich nicht immer auf die Gesichter. Manchmal kann ich die ganze Geschichte einer Person in ihrem Gesicht sehen und mich überkommt eine Welle von Gefühlen und Informationen. Im Allgemeinen finde ich es leichter und nicht so konfrontierend, auf die Schaufenster und die ausgestellten Waren zu blicken. Aber da ich nun im Fenster saß, war ich sozusagen ausgestellt. Also begann ich, die Passanten anzusehen, und erlaubte mir, in ihre Gesichter zu schauen.
Innerhalb kürzester Zeit sah ich eine ältere Frau, die auf mich zu kam. Sie trug eine hellgraue Wollmütze, tief über die Ohren gezogen, unter der ihr kurzes graues Haar zu sehen war, und einen beigen Mantel mit Gürtel. Sie hatte in der einen Hand einen Gehstock und in der anderen Hand eine Plastiktüte. Als sie dicht an der Scheibe war nahe an der Stelle, wo ich auf der anderen Seite auf dem Hocker saß, legte sie eine Hand leicht auf das Glas. Scheinbar ohne mich wahrzunehmen schaute sie (meiner Meinung nach sehnsüchtig) auf den Salat der jungen Frau. Dann drehte sie sich um und ging davon.
Da war etwas an dieser Dame, das meine Aufmerksamkeit erregte. Ich fragte mich, ob sie vielleicht obdachlos war, aber ihre Kleidung, Schuhe und sogar die Plastiktüte schienen in gutem Zustand zu sein.
Als ich ihrem Rückzug hinterherschaute, hielt sie an, drehte sich um und kam mit etwas unsicheren Bewegungen zurück zum Eingang des Starbucks. Als sie mit der schweren Tür kämpfte, war mein erster Impuls, aufzuspringen und ihr zu helfen, aber ich zögerte. Sie schien es tatsächlich gut hinzubekommen. Die Dame erinnerte mich ein wenig an meine Mutter, die auch schon älter ist. Meine Mutter ist stolz und obwohl sie körperlich auch abbaut, ist mir immer bewusst, dass sie ein volles Leben lebt. Ich möchte sie niemals als weniger behandeln. Für mich ist es immer ein Tanz, einerseits hilfsbereit zu sein, andererseits ihr die Würde zu lassen, die Dinge zu tun, die sie tun kann.
Die Frau trat in die Wärme und stand für einen Moment da, während sie die Karte hinter dem Tresen anschaute. Dann drehte sie sich um und ging zu der Bar, an der es Rührstäbchen, Servietten, Zucker und Milch gibt. Sie nahm sich eine Handvoll Tütchen mit Rohrzucker und packte sie in ihre Tasche. Dann nahm sie einige Servietten. Die Baristas schauten missbilligend herüber, aber ich hatte den Eindruck, sie seien angehalten, sich nicht einzumischen. Als die ältere Dame Anstalten machte zu gehen, hatte ich eine Eingebung. Ich nahm meine Tüten und hopste vom Hocker herunter.
„Entschuldigen Sie, darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee ausgeben?“
Verloren in ihrer eigenen Welt hörte sie mich nicht. Ein Herr draußen öffnete die Tür und hielt sie für die Frau auf. Als sie ansetzte hindurchzugehen, sagte ich erneut: „Entschuldigen Sie, darf ich Ihnen einen Kaffee ausgeben?“
Der Mann, der die Tür aufhielt, wartete geduldig. Sie drehte sich um und schaute mich an.
„Aber ja. Sehr gern,“ sagte sie. „Das ist nett von Ihnen.“
„Aber ja. Sehr gern,“ sagte sie. „Das ist nett von Ihnen.“
„Ich genieße gerade meinen Kaffee. Warum sollten Sie nicht auch einen haben?“ antwortete ich, als ich sie zum Tresen begleitete.
„Was hätten Sie gern? Ich nehme einen Cappuccino. Sie können auswählen, was Sie möchten.“
„Ich hätte gern eine Tasse Kaffee mit Milch,“ sagte sie und legte ihre Hand leicht auf das Glas der Gebäck-Auslage.
„Einen großen Kaffee, bitte,“ sagte ich zur Barista. Ich schaute mich um zur Frau und fragte: „Möchten Sie auch etwas essen?“
Leise antwortete sie: „Nein danke.“
„Sind Sie sicher? Diese kleinen Stücke vor Ihnen sind wie Mini-Quiches. Ich esse sie häufig.“
„Nein, wirklich nicht,“ sagte sie, mit der Hand immer noch an der Glasvitrine.
„Sind Sie sicher? Vielleicht etwas Süßes?“
„Nein danke.“
Die Barista stellte den Kaffee auf den Tresen.
„Oh, das ist Ihrer,“ sagte die alte Dame.
„Nein,“ antwortete ich, „das ist Ihrer. Kommen Sie, wir tun noch Milch hinein.“
Sie ging mir hinterher, als ich zur Milch- und Zucker-Station ging.
„Sie können fettarme, entrahmte oder Vollmilch haben. Was hätten Sie gern?“ fragte ich, während ich den Deckel vom Becher abmachte.
„Vollmilch, bitte.“
Ich schüttete Milch in den Kaffee und frage dann: „Wie heißen Sie?“
„Wie ich heiße?“
„Ja.“
„Ich heiße Bella.“ Ein Lächeln blühte auf ihrem Gesicht auf, als sie mich anschaute.
Ahh, schön, dachte ich. So wie Ihr Name.
„Schön Sie kennenzulernen, Bella. Ich bin Ariel. Ich hoffe, Ihnen schmeckt der Kaffee,“ sagte ich und nahm den Deckel, um ihn oben auf dem Becher zu befestigen.
„Oh nein, machen Sie den Deckel nicht drauf, ich tu noch Zucker rein,“ sagte sie und griff nach dem Zucker.
Ich lächelte vor mich hin, als sie noch ein Päckchen nahm.
Als ich auf die Uhr schaute, wurde mir klar, dass es Zeit für den Friseurbesuch war.
„Bella, es war schön, Sie kennenzulernen. Einen schönen Tag noch!“ sagte ich mit einem Lächeln.
„Danke,“ sagte sie etwas abwesend, während sie sich darauf konzentrierte, ihren Kaffee fertig herzurichten.
Ich drückte die Tür auf und ging in den Tag hinaus. Es war etwas kühl draußen, aber mir war warm ums Herz. Für mich hatte der Frühling gerade begonnen. Meine Augen wurden etwas feucht und ich war voller Emotionen, als ich um die Ecke lief. Es ist wohl doch nicht so konfrontierend, in die Gesichter zu schauen. Mit einem Lächeln dachte ich: Das war die beste Tasse Kaffee, die ich nie hatte.